GENiAL 1-2018

1-2018 | GENiAL | 13 AUS DEM VERBAND Fotos: Bistum Münster Gier passen nicht zu einer Genossenschaft. Und die Soziallehre der Kirche akzeptiert nicht, dass „die Ge- winne allein dem gehören sollen, der produziert, und dass die soziale Frage dem Staat, den Hilfsorganisa- tionen und den Freiwilligendiensten überlassen wird“. Genau aus diesem Grund ist das Wort Solidarität ein Schlüsselwort der Soziallehre. Die Kirchenbanken sind durchweg genossen- schaftlich organisiert. Warum? Beim Konzept der Kirchenbanken geht es um eine solidarische Ökonomie, bei der der Mensch im Mit- telpunkt steht. Ihr Anspruch sollen die Prinzipien der katholischen Sozialethik sein: Personalität, Subsidiari- tät, Solidarität und Nachhaltigkeit. Papst Benedikt XVI. forderte in „Caritas in Verita- te“ (2009) eine Reform des Finanzwesens und stellt das Modell der Kreditgenossenschaften als Beispiel einer gerechten Wirtschaftlichkeit dar. Damit würdig- te der Papst ausdrücklich die Geschäftsphilosophie der Genossenschaftsbanken, deren vorderstes Ziel die wirtschaftliche Unterstützung ihrer Mitglieder ist und nicht die Gewinnmaximierung. Genossenschaftliche Kirchenbanken sind somit auch Ausdruck einer Verantwortungsgesellschaft. Diese Banken kennen ihren Markt und können ihr Wissen bei Produkten und Dienstleistungen nutzbrin- gend einsetzen. Der Wissensvorteil kann zum Bei- spiel bewirken, dass Kreditanfragen besonders gut eingeschätzt werden können oder eine Vernetzung, ein Know-how-Transfer der Kunden und Mitglieder untereinander durchgeführt werden kann. Bei den Kirchenbanken ist also nicht der „Share- holder-Value“, der Vermögenszuwachs von Aktieninha- bern, das Unternehmensziel. Vielleicht kann man das Ziel eher als einen „Member-Value“, bezeichnen, ei- nen Nutzen, den die Mitglieder aus der Leistung der Genossenschaft beziehen. Kirchliche Genossenschaftsbanken sind zwar nicht unabhängig von Kapital, sie sind aber vor einer „kapitalistischen“ Einflussnahme weitgehend ge- schützt, da jedes Mitglied unabhängig von seinem Kapitalanteil immer nur eine Stimme hat. Somit kön- nen ein oder wenige Kapitaleigner keine individuellen und ertragsgesteuerten Interessen durchsetzen. Nicht zuletzt hat diese Konstruktion der Interes- senwahrung und gleichberechtigten Mitbestimmung der Mitglieder dafür gesorgt, dass die genossen- schaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken und damit auch die Kirchenbanken von der Bankenkrise der ver- gangenen Jahre deutlich weniger betroffen sind. Katholische Pfarrer waren im 19. Jahrhundert die Treiber von Genossenschaftslösungen als Antworten auf die Herausforderungen der ländlichen Gesellschaften. Auch heute stehen die ländlichen Räume vor großen Umbrüchen. Ist es denkbar, dass die katholische Kirche beziehungsweise ihre Laienbewegung wieder Trägerin umfangreicher Gründungsinitiativen wird, vom Dorfladen über die Seniorenge- nossenschaft bis hin zur Breitbandgenossen- schaft? Der Genossenschaftsgedanke ist heute aktueller denn je. Seit Ende 2016 zählt die Genossenschafts- idee zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe. Seit 2007 gibt es aufgrund einer gesetzlichen Neu- regelung in Deutschland einen Gründungsboom mit mehr als 2.000 genossenschaftlichen Neugründun- gen bundesweit. Ich denke, dass klassische Werte wie eine neue Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Verant- wortung, die Beachtung einer nachhaltigen Entwick- lung und solidarisches Handeln mit dafür verantwort- lich sind. Das führt zu einer Wiederentdeckung jener Gemeinschaftsunternehmung, der Genossenschaft, die beides unter einen Hut bringt: Wirtschaftlichkeit und Solidarität. Eine Genossenschaft ist ein Gegenentwurf zu Unternehmen, die auf bestimmte Marktentwicklun- gen spekulieren, und passt somit zu dem dauerhaft angelegten Geschäftsmodell für Unternehmungen, die sich an der katholischen Soziallehre orientieren wollen. Das ganze Interview auf www.dazumehr.de/genn „Eine Genossenschaft ist ein Gegenentwurf zu Unternehmen, die auf bestimmte Markt- entwicklungen spekulieren.“

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