GENiAL 2-2018
2-2018 | GENiAL | 21 IM FOKUS | GENOSSENSCHAFTLICHE KIRCHENBANKEN – ETHISCH UND NACHHALTIG Genossenschaftsgründung – leicht gemacht! Gemeinsam sind wir stark! Raiffeisen hielt im ganzen Land Vorträge vor der Land- bevölkerung, um sie von den wirtschaftlichen Vorteilen ei- ner Genossenschaft zu über- zeugen. Raiffeisens Ideen zündeten: Überall schlossen sich Landwirte und Handwerker zusammen und gründeten Genossenschaften. Oft waren unter den Gründungsvätern Geistliche, die – so Raiffeisen – ein waches Auge auf die Geschäfte haben sollten. Gemeinsam legten beispiels- weise Landwirte Teile ihres Ersparten in der Genossen- schaft an und waren so kre- ditwürdig. Auf diese Weise kauften sie für die Genossen- schaft einen modernen Pflug, der von allen Mitgliedern ge- nutzt werden konnte. Raiffeisen 1888 näherten sich beide Ver- bände an. Aber erst die Krise in der Land- wirtschaft in den 1920er Jahren führte mit staatlicher Unterstützung 1930 zum Zusammenschluss unter dem Namen: Reichsverband der deutschen landwirt- schaftlichen Genossenschaften – Raiff- eisen – e. V. Schon die Namensgebung zeigt, dass das verbindende Element die Genossenschaftsidee von Friedrich Wil- helm Raiffeisen war. Wie lässt sich der enorme Erfolg dieser Organisationsform weltweit, vor allem auch in Asien, erklären? Viele Entwicklungsländer stehen heute an der Schwelle zur Industrienation – wie damals auch Deutschland. Deutschland hatte zu Raiffeisens Zeiten stetiges Wirt- schafts- und Bevölkerungswachstum, das die Nachfrage nach Lebensmitteln stei- gen ließ. Auf dem Land fehlte es jedoch an Strukturen, die die finanziellen Mittel für Innovationen zur Verfügung stellten. Deshalb blieb die Modernisierung der Landwirtschaft aus und die Entwicklung des ländlichen Raums fiel gegenüber den Industriestandorten zurück. Raiffeisens Ideen lösten das Problem und leiteten damit einen Modernisierungsschub ein. Sein Modell findet bis heute bei der Ent- wicklung rückständiger Landwirtschaften auf der ganzen Welt Nachahmung. In der Entwicklungspolitik spricht man heute von der Notwendigkeit, Mikrokredite zu verge- ben. Das ist Raiffeisen pur. Die Genossenschaftsbanken wa- ren die einzige Bankengruppe in Deutschland, die in der zurückliegen- den Banken- und Finanzmarktkrise ohne Staatshilfe auskam. Verdanken wir ihre Stabilität auch Raiffeisen? Ja, da bin ich mir ganz sicher. Die Genos- senschaftsbanken stehen bis heute für eine Werteorientierung, bei der die Ge- winnmaximierung nicht alles ist, und sie tun gut daran, dieses Erbe zu pflegen. Ge- nossenschaften zeichnen sich durch die regionale Verbundenheit aus. Es geht dar- um, die lokale Wirtschaft zu unterstützen, zu fördern und zu betreuen. An diesem Prinzip hat sich seit 150 Jahren nichts ge- ändert. Das ist eine Tradition, auf der sich Vertrauen aufbauen lässt. Auch wenn heu- te die Selbsthilfe weniger im Vordergrund steht, so sind doch das soziale Engage- ment und die Ausrichtung an den Bedürf- nissen der Menschen ganz im Sinne von Raiffeisen geblieben. www.dazumehr.de/historiker
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