GENiAL 4-2017
4-2017 | GENiAL | 21 IM FOKUS | RECHT & STEUERN B eim Thema Urheberrecht denken die meisten Men- schen zunächst an Kultur: an Buchtexte, Bilder oder Musikstücke. Doch auch Gebäude, sogar Plätze oder Gartenanlagen können als Bauwerke urheberrechtlich geschützt sein. Das klingt erst einmal harmlos, kann für Ge- nossenschaften jedoch teure Überraschungen nach sich ziehen. Spätestens dann, wenn umgebaut werden soll, beispielsweise ein neuer Treppenaufgang nötig wird oder ein Platz umgebaut werden soll: Dann kann möglicherweise der Werkschutz eingrei- fen und Beseitigungs-, Unterlassungs- oder Schadensersatzan- sprüche (§ 97 Abs. 1, 2 UrhG) auslösen. Gefährliche Modernisierungen Ein typisches Beispiel sind repräsentative Bankgebäude oder Plätze aus den siebziger Jahren oder frü- her, die modernisiert werden müssen. Ge- schieht dies mit dem ursprünglichen Architekten, so ist das unproble- matisch, denn er bearbeitet sein eigenes Werk. Wird der Auf- trag jedoch an andere Büros vergeben, kann es vorkom- men, dass während oder auch nach den baulichen Veränderungen der alte Architekt auf den Plan tritt und Schadensersatz- zahlungen oder Beseiti- gung wegen Verletzung seines Werkes verlangt. Urheberrecht schützt den Urheber Was zunächst bizarr klingt, hat seinen Ursprung im Urhe- berrechtsgesetz. Gilt ein Gebäu- de als Werk im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG, fällt es unter den Schutzbe- reich dieses Gesetzes. Eine amtliche Registrierung mit Schutzfrist-Verlängerungen, wie es sie im deutschen Marken- oder Designrecht gibt, oder der aus dem amerikanischen Recht be- kannte „Copyright-Vermerk“ in Form eines ©, ohne dessen Anbringung am Werk kein Ur- heberrechtsschutz entsteht, sind nach deut- schem Recht nicht vorgesehen. Der Urheber, dessen Schutz das Ge- setz in erster Linie dient, erhält durch das Urhebergesetz u.a. sogenannte Verwer- tungsrechte. Dies sind vermögensrechtliche Befugnisse, die er den Auftraggebern in von ihm bestimmbarem Ausmaß in Form von Nut- zungsrechten („Lizenzen“) vertraglich einräumen kann. Daneben gewährt ihm das deutsche Recht auch Urheberpersönlichkeits- rechte. Diese können nicht mit den Lizenzen an einen Auftrag- geber übertragen werden und sind fest an seine Person gebun- den. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowie der Schutz vor Entstellung des Werkes. Zudem dürfen Bearbeitungen und Umgestaltungen, bei denen das ursprüngliche Werk noch prägend ist, ohne ausdrückliche Einräumung dieses Rechts durch den Urheber nicht durchge- führt werden. An diesem Punkt setzen die Probleme ein. Werden bedeu- tende Veränderungen am Bauwerk durchgeführt, können diese eine unzulässige Bearbeitung oder sogar Entstellung des Wer- kes darstellen. Dies können Um- und Anbauten sein, aber auch Änderungen einer ursprünglichen Platzanlage, z.B. das Ab- stellen der Wasserpumpe eines Springbrunnens und ersatzweises Bepflanzen des Beckens mit Blumen sowie Teilabrisse bestimm- ter Elemente. Damit könnte ein dem Bauherrn nicht übertrage- nes Recht des Urhebers ver- letzt werden, wodurch mög- licherweise ein Anspruch auf Schadensersatz in er- heblicher Höhe entsteht. Neben der finanziellen Belastung kann ein Kla- geverfahren mit entspre- chender Medienbericht- erstattung den Ruf der Auftrag gebenden Ge- nossenschaft schädigen, und sogar ein Anspruch auf Rückbau ist möglich. Urheberrecht des Architekten beachten Sowohl beim Kauf eines Gebäudes als auch beim Neubau sowie bei der späteren Umgestaltung von Gebäuden und Plätzen muss auch ein mögliches Ur- heberrecht des Architekten berücksichtigt werden. Spätere Umbauten und sonstige Veränderungen können eine Bearbeitung oder gar Entstellung des ursprünglichen Werkes darstellen und Beseitigungs- (§ 97 Abs. 1 UrhG) oder Scha- densersatzansprüche (§ 97 Abs. 2 UrhG) des Urhebers auslösen. Soll es nicht zur Klage kommen, wird ein Vergleichsabschluss nötig sein; beides kann kostenintensiv werden. Im Idealfall werden diese Risiken daher bereits mit entsprechenden Klauseln im Vorfeld des Bauprozesses vertraglich berücksichtigt. Urheberrecht: Warum ein Springbrunnen kein Blumentopf werden darf Rechtsanwältin Dr. jur. Claudia Richter claudia.richter@ gra-rechtsanwaltsgesellschaft.de
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