Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Doch der parlamentarische Prozess ist ins Stocken geraten, Union und SPD sind sich in elementaren Punkten uneins – darunter auch der Mieterstrom.
Mieterstrom sollte als das gelten, was er ist: gemeinschaftlicher Eigenverbrauch – das ist die Auffassung des Genossenschaftsverbandes. Regeln für dieses sogenannte „Energy Sharing“ hat auch die Europäische Union (EU) festgelegt. Die Vorgaben in der Erneuerbare-Energien- (Renewable Energie Directive II, RED II) und der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie gelten auch für die laufende Novellierung des EEG. Demnach muss der Gesetzgeber gewährleisten, dass Gemeinschaften den Strom, den sie mit ihren eigenen Anlagen aus Erneuerbaren Energien erzeugen, auch gemeinsam nutzen können. Der aktuelle EEG-Entwurf spiegelt das aber nicht wider.
Eine gemeinschaftliche, demokratische, sichere und stabile Umsetzung dieses „Energy Sharing“ ist die genossenschaftliche Mitgliederversorgung. Sie stärkt die Akzeptanz für die Erneuerbaren, weil sie sie unmittelbar auch für diejenigen mit Mehrwert zugänglich macht, die zur Miete wohnen. 2018 waren etwa 57,9 Prozent der Menschen in Deutschland Mieter*innen. Mehr als der Hälfte der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, die Energiewende aktiv zu gestalten und zu nutzen, lohnt sich für Wirtschaft und Klima gleichermaßen. Laut einer Umfrage aus dem November 2020 sagen 78 Prozent ja zu Mieterstrom.
RED II gibt auch vor, dass auf nationaler Ebene ungerechtfertigte rechtliche Hindernisse für die Eigenversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien auch für Mieter*innen beseitigt werden müssen. Aber Stromverbraucher und Anlagenbetreiber müssen auch im aktuellen Gesetzentwurf personenidentisch sein. Diese Identität sieht der Gesetzgeber weiterhin als Voraussetzung dafür, dass Solarstrom vom Dach eines Hauses, der im selben Gebäude verbraucht wird, als Eigenverbrauch gelten darf.
Diese Bedingung hat sich in der Praxis nicht bewährt und verhindert Investitionen in Photovoltaik (PV)-Anlagen genau dort, wo viel Potenzial liegt: auf den Dächern in Städten und Ballungsräumen. Mittelständler*innen aus Gewerbe und Wohnungswirtschaft, Vermieter*innen und vor allem Mieter*innen können vielversprechende Stromprojekte deshalb häufig nicht umsetzen. Zu kompliziert.
Kommt der Strom aus einer PV-Dach-Anlage, wird er seit 2017 bis zu einer Leistung von 10 Kilowatt-Peak (kWp) von der EEG-Umlage befreit. Das genügt auch dem Bundeswirtschaftsministerium nicht mehr. Es schlägt daher 20 kWp bis zu einem Stromverbrauch von lediglich 10 Megawattstunden (MWh) vor. Diese Menge verbrauchen allein zwei Fünf-Personen-Haushalte in einem Einfamilienhaus durchschnittlich pro Jahr. Ein Wohngebäude mit mehreren Mietparteien erreicht diese Grenze deutlich früher. Ist die PV-Anlage auf dem Dach älter als 20 Jahre, soll gar keine Leistungsgrenze gezogen werden: Schon ab der ersten selbst genutzten Kilowattstunde (kWh) sollen rund 2,5 ct/kWh anteilige EEG-Umlage fällig werden, auch bei Kleinstanlagen.
Doch wo die neue Grenze ziehen? Darauf haben die Regierungsfraktionen noch keine gemeinsame Antwort gefunden. Aus Sicht der Bürgerenergiegenossenschaften muss der Eigenverbrauch bis zu 30 kWp von der EEG-Umlage befreit werden, ohne Mengenbegrenzung. Anders als Besitzer*innen von Eigenheimen, die zum Teil vollständig von der EEG-Umlage befreit sind, zahlen Mieter*innen in Mehrfamilienhäusern die volle Umlage von 6,5 ct/kWh für das Jahr 2021. Die Forderung nach 30 kWp entspricht den RED II-Vorgaben. Anlagen mit einer Leistung kleiner oder gleich dieser Grenze dürfen nicht mit der EEG-Umlage belastet werden.
Die aktuelle Leistungsgrenze von 20 kWp hemmt den Bau neuer PV-Anlagen, macht den weiteren Betrieb von Anlagen älter als 20 Jahre unrentabel und behindert außerdem die Sektorenkopplung, die die Bundesregierung fordert. Dabei ist die Idee, dass eine Hausgemeinschaft den Solarstrom vom eigenen Dach nicht nur für Licht und Haushaltsgeräte nutzt, sondern damit auch eine moderne Wärmepumpe betreibt und eine Ladestation für das Gemeinschafts-E-Auto speist, nicht nur romantisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll und gut für das Klima.
Durch Mieterstrom-Projekte in den Händen von Bürgerenergiegenossenschaften wird die Energiewende demokratischer, weil so auch Mieter*innen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland – mitgestalten und partizipieren können. Und sie wird beschleunigt: Mehr Dächer für PV-Anlagen heißt weniger Strom aus fossilen Quellen. Ein Ergebnis der oben zitierten Umfrage war auch, dass 2,2 Millionen Tonnen CO2 – das Speicherpotenzial von 180 Millionen Bäumen – eingespart würden, wenn man die circa 3,8 Millionen Haushalte ohne Mieter-Solarstrom mit PV-Anlagen ausstatten würde.
Der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. fordert…
- die Umsetzung der von der EU festgelegten Regeln zum „Energy Sharing“ und damit das Ermöglichen einer genossenschaftlichen Mitgliederversorgung,
- die Gleichsetzung von Mieterstrom mit gemeinschaftlicher Eigenversorgung ohne die Anforderung der Personenidentität und
- eine europarechtskonforme Bagatellgrenze von 30 kWp bis zu der keine EEG-Umlage fällig wird – sowohl für neue Anlagen als auch für Anlagen, die älter als 20 Jahre sind; die damit verknüpfte 10-MWh-Grenze Stromverbrauchsgrenze im noch geltenden EEG ist überflüssig und sollte gelöscht werden.