Bereits zum 01.04.2024 ist das Cannabis- Gesetz (oder auch KCanG) in Kraft getreten. Durch die teilweise, wenn auch begrenzte Legalisierung ist somit eine neue legale -- und auf Grund des Inhaltsstoffes THC (Tetrahydrocannabinol) – als berauschend anzusehende Droge hinzugekommen. Dieser ist nun auch im arbeitsrechtlichen Kontext eine steigende Bedeutung zuzumessen.
Was regelt das Cannabisgesetz inhaltlich?
Zunächst enthält das Cannabisgesetz in § 1 KCanG einige für das Gesetz wesentliche Definitionen. Hierauf folgt in § 2 KCanG zunächst ein pauschales Verbot hinsichtlich des Umgangs mit Cannabis, an dieser Stelle mit Ausnahme des Konsums, der aber auch schon zuvor nicht verboten war. In § 3 KCanG ist schließlich die eigentliche, für diesen Beitrag relevante Legalisierung des Besitzes geregelt. Diese erlaubt in der Öffentlichkeit 25g Cannabis außerhalb des Wohnsitzes, also auch am Arbeitsplatz, und 50g Cannabis am ständigen Aufenthaltsort. Die Mengenangaben beziehen sich auf das Trockengewicht, nicht den Wirkstoffgehalt, der regelmäßig erheblich geringer ausfällt. (Zu erwarten sein und implizit politisch forciert wird deshalb ein Anstieg der Wirkstoffkonzentration.) Der Handel bleibt hingegen grundsätzlich verboten.
Bemerkenswert ist, dass § 5 KCanG ein Konsumverbot an bestimmten Örtlichkeiten vorwiegend zum Jugendschutz sowie durch Kinder und Jugendliche enthält. Bisher gab es ein solches Konsumverbot nicht. Waren früher Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder eine erhebliche Überschreitung des zulässigen Besitzes Straftaten, gelten viele Verstöße gegen das KCanG als Ordnungswidrigkeiten, welche lediglich mit einem Bußgeld geahndet werden.
Im Zusammenhang mit der Legalisierung und vor dem Hintergrund der allgemein zunehmenden Sorge um die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat der Jugendschutz hinsichtlich des Konsumverbotes an besonders schutzbedürftigen Örtlichkeiten eine besondere Bedeutung. Nach § 7 des Cannabisgesetzes ist ein Verstoß gegen das Konsumverbot durch Kinder und Jugendliche den Erziehungsberechtigten zu melden. Bei wichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kinds- oder Jugendwohls ist das Jugendamt zu informieren. Die Abgabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche durch Personen, welche das 21. Lebensjahr vollendet haben, wird darüber hinaus mit einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. Gegenüber dem vergleichbaren Straftatbestand des § 29a BtMG ist die Mindeststrafe somit um ein Jahr erhöht worden.
Was gilt am Arbeitsplatz?
Zunächst drängt sich die Frage auf, ob Cannabiskonsum am Arbeitsplatz generell verboten ist. Die Antwort auf diese Frage muss nun wohl „nein“ sein. Eine Ausnahme dürften nur Arbeitsplätze mit einem absoluten gesetzlichen Rauschmittelverbot (z.B. § 4 a Abs. 1 S. 1 LuftVG) und Arbeitsplätze, die unter das örtliche Konsumverbot des KCanG fallen, sein.
Solange der Besitz von Cannabis durch das BtMG verboten war, konnte argumentiert werden, dass Cannabis als illegale Droge einem generellen Unwerturteil unterlag und auf Grund des bereits strafbaren Besitzes jedenfalls auch der Konsum am Arbeitsplatz eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB darstellte. Diese grundsätzliche vorweggenommene Interessenabwägung zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit und den Interessen des Arbeitgebers ist durch das KCanG weitgehend weggefallen. Ohne betriebliche Regelung unterliegt die Entscheidung, ob der Konsum nun verboten oder erlaubt ist, daher einer Einzelfallbetrachtung und erheblicher Rechtsunsicherheit.
Naheliegend ist es, hier Wertungen parallel zum Alkoholkonsum am Arbeitsplatz zu ziehen. Dieser ist in der Regel dann eine Pflichtverletzung, wenn sich der Arbeitnehmer in einen Zustand herabgesetzter Leistungsfähigkeit versetzt. Erschwerend kommt bei Cannabis allerdings hinzu, dass nicht (wie beim Alkohol) auf Grund umfangreicher empirischer Erfahrung von einer pauschalen Leistungsminderung durch den Konsum einer bestimmten Menge ausgegangen werden kann. Grenzwerte für den Straßenverkehr werden zurzeit auch noch erarbeitet. Arbeitnehmer könnten ergänzend behaupten, durch den Konsum sogar zu einer höheren Leistung oder Konzentration im Stande zu sein. Ein solcher Effekt ist empirisch kaum belegt. Diese Argumente ad-hoc zu widerlegen und eine verminderte Arbeitsleistung nachzuweisen, kann aber für Arbeitgeber problematisch sein.
Auf der anderen Seite muss beachtet werden, dass Cannabis oftmals durch Rauchen aufgenommen wird und unter § 5 Arbeitsstättenverordnung fällt. Jedenfalls das Rauchen innerhalb eines Büros dürfte damit nicht erlaubt sein, gelöst wird hiermit jedoch nur ein Teil des Problems. Auf Grund der Legalisierung kann erwartet werden, dass Cannabis auch Einzug in die „Raucherpause“ halten wird. Cannabis-Rauch kann vom Tabakrauch durch den markanten, süßlichen Geruch unterschieden werden. Sollten Mitarbeitende zum Beispiel außerhalb des Dienstgebäudes Cannabis rauchen, könnten Passanten dies sofort riechen und Rückschlüsse auf das Unternehmen ziehen. Aufgrund immer noch bestehender gesellschaftlicher Bedenken gegenüber Cannabis könnte dies zu auch zu Reputationsverlust des betroffenen Arbeitgebers führen.
Keinen Mehrwert liefert § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1, welcher lediglich ein relatives Konsumverbot statuiert. Hiernach dürfen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht einen selbst- oder fremdgefährdenden Zustand versetzen: Wann und ob ein solcher individuell durch den Konsum von Cannabis hervorgerufen wird, kann entsprechend der vorherigen Ausführungen nicht verallgemeinert werden.
Es dürfte daher grundsätzlich eine Mischbetrachtung anzustellen sein: Während der Arbeitgeber wohl anders als bei Tabak keine Möglichkeit zum Konsum einräumen muss, wird durch den Konsum andererseits nicht derart pauschal wie bei Alkohol eine Pflichtverletzung anzunehmen sein.
Hinsichtlich des Konsums in der Freizeit werden die Wertungen, die wir vom Alkoholkonsum kennen, übertragbar sein. Grundsätzlich darf sich der Arbeitgeber nicht in das Privatverhalten seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einmischen. Eine Grenze ist zum einen zu ziehen, wenn ein absolutes Rauschmittelverbot am Arbeitsplatz gesetzlich vorgesehen ist, wirksam betrieblich eingeführt wurde oder gesetzliche Grenzwerte überschritten werden, zum anderen, wenn durch einen besonders hohen Freizeitkonsum auch während der Arbeitsleistung eine echte Leistungsherabsetzung gegeben ist.
Wie sollten Arbeitgeber mit „akutem“ Cannabiskonsum umgehen?
Wird ein Mitarbeiter unter dem Einfluss von Cannabis angetroffen, ist analog zur Alkoholintoxikation das Beschäftigungsverbot aus § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 zu beachten. Es liegt im Ermessen des Vorgesetzten zu beurteilen, ob von der betroffenen Person eine Gefährdung ausgeht. Kommt der Vorgesetzte zu dem Schluss, dass eine Gefährdung vorliegt, hat er oder sie die betroffene Person vom Arbeitsplatz und Betriebsgelände zu entfernen und eine sichere Begleitung auf Kosten des Arbeitnehmers zu organisieren. Darüber hinaus sind Kolleginnen und Kollegen nach § 16 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 verpflichtet, eine unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehende Person dem Vorgesetzten zu melden. Aufgrund der möglichen harschen zivil- und öffentlich-rechtlichen Konsequenzen eines Verstoßes ist hier der Grundsatz „better safe than sorry“ zu empfehlen und im Zweifel das Beschäftigungsverbot durchzusetzen. Gegebenenfalls sollte dem Mitarbeiter, falls im Betrieb vorhanden, ein Drogentest zur Entlastung des Verdachts angeboten werden. Dieser kann allerdings nicht erzwungen werden. Wird der Test abgelehnt, dürften deutliche Indizien für eine tatsächliche Intoxikation vorliegen und der Arbeitgeber von Beweiserleichterungen in einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung profitieren.
Welche Haftungsrisiken bestehen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Nicht nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich im Zusammenhang mit Rauschmitteln beziehungsweise Cannabis am Arbeitsplatz pflichtwidrig verhalten, auch den Arbeitgeber treffen regelmäßig Sorgfaltspflichten. Zu unterscheiden ist hier zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit und ohne bekannte Abhängigkeit. Beispielsweise entschied das Landessozialgericht Hessen in einem Urteil vom 13.05.2011, dass der Arbeitgeber seine Sorgfaltspflichten gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne bekannte Abhängigkeit erfüllt, wenn er abstrakte Präventionsmaßnahmen trifft. Als solche kommt zum Beispiel ein durch den Arbeitgeber überwachtes Konsumverbot in Betracht. Sofern Abhängigkeiten bestehen, kann aber eine besondere Überwachung erforderlich sein. Sind Abhängigkeiten oder ein regelmäßiger Konsum bekannt, sollte auch ein möglicherweise bestehender Dienstwagenüberlassungsvertrag überdacht und gegebenenfalls aufgelöst werden, um Haftungsrisiken auszuschließen.
Sorgfaltspflichten treffen den Arbeitgeber auch insbesondere im Bereich des Beschäftigungsverbots nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1. Erleidet der oder die Betroffene einen Arbeitsunfall auf Grund einer grob fahrlässig oder (bedingt) vorsätzlich nicht erkannten Selbst- oder Fremdgefährdung, kann die gesetzliche Unfallversicherung unter Umständen beim Arbeitgeber Regress nehmen. Bei einem so genannten „Vollrausch“ kann der Unfallversicherungsschutz vollständig entfallen.
Nicht zwingend besteht eine Sorgfaltspflicht, wenn der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit eigenverantwortlich konsumiert, kein Vorgesetzter zugegen ist und auf dem Rückweg mit seinem privaten Fahrzeug verunfallt. (LSG Hessen, Urteil vom 13.05.2011 - L 9 U 154/09). Der Arbeitgeber musste in diesem Fall den Arbeitnehmer nicht an der Heimfahrt mit seinem außerhalb des Betriebsgeländes abgestellten Fahrzeug hindern. Die Abgrenzung zwischen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und einer Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verläuft aber grundsätzlich fließend und ist letztlich einzelfallabhängig.
Zur Vermeidung von Regresspflichten und etwaigen eigenen Schadensersatzforderungen sollten Arbeitgeber insgesamt höchste Vorsicht walten lassen.
Welche Möglichkeiten bestehen, Cannabiskonsum und Abhängigkeit vor und während des Arbeitsverhältnisses festzustellen?
Zu unterscheiden ist zwischen der Anbahnungsphase und dem eigentlichen Arbeitsverhältnis. In der Anbahnungsphase darf der Arbeitgeber (zum Beispiel im Vorstellungsgespräch) nach Umständen fragen, an deren Kenntnis er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat. Pauschal kann gesagt werden, dass ein solches Interesse in der Regel nicht in Bezug auf Verhalten außerhalb des Arbeitsplatzes besteht und dieses Verhalten jedem Zugriff seitens des Arbeitgebers entzogen ist. Etwas anderes kann nur im Einzelfall in Bezug auf besonders risikogeneigte Tätigkeiten gelten. Die generelle Frage nach dem Rauschmittelkonsum wäre daher in der Regel nicht zulässig, sodass dem Arbeitnehmer ein Recht zur Lüge zustünde.
Die Frage nach einer Abhängigkeit ist im Wesentlichen die Frage nach einer Krankheit. Diese dürfte bei risikogeneigten Tätigkeiten zulässig sein, wenn eine Abhängigkeit die Ungeeignetheit der Bewerberin oder des Bewerbers begründen würde.
Die Frage nach einer bestehenden Krankheit beinhaltet die Frage nach einer Abhängigkeit mit Krankheitswert, verlangt aber von der Bewerberin oder dem Bewerber eine aktive Auskunft über die Abhängigkeit. Hier muss dem Bewerber bewusst sein, dass seine Abhängigkeitskrankheit von besonderem Interesse ist und der Arbeitgeber eine Auskunft hierüber erwarten kann. Eine Auskunft ohne jede Frage kann nur bei einem besonders offensichtlichen, tätigkeitsbezogenen Interesse des Arbeitgebers erwartet werden.
Noch strengere Regeln gelten, wenn die Abhängigkeitskrankheit so schwer wiegt, dass sie als Behinderung im Sinne des § 1 AGG anzusehen ist. Dies dürfte aber eher selten der Fall sein.
Mit Zustimmung der Bewerberin oder des Bewerbers kann der Arbeitgeber eine Einstellungsuntersuchung durchführen lassen. Hierbei wird er aber in der Regel nur erfahren, ob Eignung vorliegt oder nicht. Betriebsärztinnen und Ärzte werden keine Diagnosen an den Arbeitgeber weiterleiten, dieser dürfte an der Diagnose selbst kein relevantes Interesse haben.
Der freiwillige, keinesfalls verdeckte (!) Drogentest bei einer Bewerberin oder einem Bewerber ist möglich, wenn der Arbeitgeber auf Grund seiner Anforderungen ein gesteigertes Interesse an einer rauschmittelfreien Arbeitsleistung hat. Wichtig ist hierbei, dass der Test kein Konsumverhalten in der Freizeit abdecken beziehungsweise hierauf keine Rückschlüsse zulassen darf.
Zu beachten ist die Zustimmungspflichtigkeit des Betriebsrats nach § 94 Abs. 1 BetrVG bei Personalfragebögen, möglicherweise auch bei Befundlisten des Betriebsrats. Bei Auswahlrichtlinien ergibt sich diese darüber hinaus aus § 95 Abs. 1 BetrVG. Sofern eine Einstellung auf der Grundlage eines nicht zulässigen Drogentests erfolgt ist, hat der Betriebsrat ein Widerspruchsrecht nach § 99 Abs. 2 BetrVG.
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses muss zwischen verdachtsabhängigen und verdachtsunabhängigen Tests unterschieden werden. Verdachtsabhängige Tests sind nach Zustimmung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers im Einzelfall zulässig, wenn Indizien für eine Rauschmittelintoxikation bestehen, welche die Eignung für die Tätigkeit in Frage stellen. In diesem Fall sollte dem Arbeitnehmer immer ein so genannter Entlastungstest angeboten werden, auch wenn hierzu keine Pflicht des Arbeitgebers besteht. Wird ein solcher abgelehnt, bestehen zugunsten des Arbeitgebers erhebliche Indizien für eine Intoxikation, welche eine deutliche Beweiserleichterung in einer späteren möglicherweise gerichtlichen Auseinandersetzung zur Folge hat.
Verdachtsunabhängige Tests sind zulässig, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat und der Arbeitnehmer zuvor seine Zustimmung erteilt hat. Diese Zustimmung kann grundsätzlich pauschal erfolgen, zum Beispiel in Form einer Nachtragsvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Im Arbeitsvertrag selbst wird eine solche Zustimmung auf Grund des möglicherweise einhergehenden Abschlussdrucks eher nicht wirksam zu erteilen sein, sondern erst nach Abschluss des Arbeitsvertrags.
Sofern eine Zustimmung zu einem verdachtsunabhängigen Test nicht pauschal erfolgt ist, kann die Verweigerung der Zustimmung zu einem Drogentest eine Pflichtverletzung sein. Dies ist der Fall, wenn ein gesetzliches absolutes Alkohol- oder Drogenverbot gilt, für dessen Einhaltung der Arbeitgeber in besonderer Weise verantwortlich ist.
Abstrakte betriebliche Regelungen sowie auch Verfahrensanweisungen an Vorgesetzte zu Drogentests unterliegen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, die Testungen im Einzelfall bedürfen nicht der Mitbestimmung. Anders ist die Rechtslage, wenn Drogenkontrollen zur Unfallverhütung durchgeführt werden. Dann sind sowohl abstrakte Regelungen als auch konkrete Maßnahmen nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Beachtet werden muss ferner, dass es sich bei dem Ergebnis eines Drogentests um ein Gesundheitsdatum und damit eine besondere Kategorie personenbezogener Daten nach Art. 9 DSGVO bzw. § 26 Abs. 3 BDSG handelt. Eine, die gerecht werdende Datenverarbeitung muss durch die verarbeitenden Stellen, beispielsweise die Personalabteilung, sichergestellt werden.
Wie kann Konsum arbeitsrechtlich sanktioniert werden und wie können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert werden?
Zu unterscheiden ist hier zwischen personenbedingten und verhaltensbedingten Maßnahmen.
Begeht die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer auf Grund des Konsums eine Pflichtverletzung, beispielsweise weil sie oder er nicht mehr zu einer pflichtgemäßen Arbeitsleistung im Stande ist, wäre er oder sie zunächst bis zum Abklingen der Intoxikation ohne Pflicht zur Entlohnung freizustellen. Abhängig vom Schweregrad des Verstoßes und der Zukunftsprognose wären dann weitere Maßnahmen anzudenken: von der arbeitsrechtlich wenig relevanten mündlichen Ermahnung bis hin zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Leidet die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter allerdings unter einer Abhängigkeit, handelt es sich nicht um ein steuerbares Verhalten und damit keine Pflichtverletzung, weshalb nur personenbedingte Maßnahmen in Frage kommen. Zunächst ist hier an die Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu denken. Kommt eine solche nicht in Betracht, wären die nächstmöglichen Schritte die Änderungs- oder Beendigungskündigung, wobei die Änderungskündigung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zunächst vorrangig zu erklären wäre. Beide Maßnahmen erfordern den Versuch eines beanstandungsfreien betrieblichen Eingliederungsmanagements. Sämtliche personelle Einzelmaßnahmen erfordern darüber hinaus die Beteiligung des Betriebsrats.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Das Feld der Rauschmittel am Arbeitsplatz ist komplex und – wie oft im Arbeitsrecht -- eher einzelfallorientiert, Cannabis wird als neue Unbekannte auf Arbeitgeber unweigerlich zukommen. Arbeitgeber sollten aus diesem Grund in jedem Fall ihre Betriebsvereinbarungen auf die Möglichkeit eines Konsumverbots oder absoluten Rauschmittelverbots hin untersuchen. Sofern ein solches nur für Alkohol besteht, wäre nämlich Cannabis im Sinne des KCanG nicht davon umfasst. Gleiches gilt auch für Regelungen in Arbeits-, Dienst- und Dienstwagenüberlassungsverträgen.
Auch h im Bereich der Rauschmittel am Arbeitsplatz ist es empfehlenswert, Prävention der Sanktion vorhergehen zu lassen. So könnte ebenfalls über einen so- genannten Stufenplan im Zusammenhang mit Drogenkonsum am Arbeitsplatz nachgedacht werden, welcher der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer einen Zugang zu Beratungs- und Therapieangeboten ermöglicht und nur bei weiterer Eskalation arbeitsrechtliche Maßnahmen als Folge hätte. Ein solcher Stufenplan könnte in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden.
Zuletzt wichtig, wie auch in der Compliance, sind das Vorleben einer Vorbildkultur durch Führungskräfte, der so genannte „Tone from the top“, und das Ermöglichen einer offenen Hinweisgeberkultur. Nach § 16 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1 sind Arbeitnehmer verpflichtet, Kolleginnen und Kollegen unter dem Einfluss von Rauschmitteln dem Vorgesetzten zu melden. Zu einer solchen Meldung wird es allerdings nur dann kommen, wenn zum einen der Hinweis selbst ernst genommen wird und zum anderen Repressalien aus dem Kolleginnen- und Kollegenkreis ausgeschlossen sind. Auch in diesem Bezug ist es hilfreich, wenn auf eine (Erst-) Meldung zunächst mit Unterstützung statt mit Sanktion reagiert wird.