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EU-Kommission: Klimabezogene Risiken besitzen Einfluss auf die Finanzstabilität

  • 01.08.2024
  • von Tim Schmitz
  • Grundsatzblog

Am 28. Juni 2024 wurde von der EU-Kommission ein Bericht zur Überwachung klimabezogener Risiken für die Finanzstabilität veröffentlicht. In diesem Bericht werden nicht nur klimabezogene Risikoherde identifiziert, sondern diesen auch mögliche politische Reaktionen zur Sicherung der Finanzstabilität gegenübergestellt.

Im Zuge eines Mandats aus ihrer "Strategie zur Finanzierung einer nachhaltigen Wirtschaft" vom 06. Juli 2021 hat die EU-Kommission nun am 28. Juni 2024 einen Bericht herausgegeben, in dem sie die Auswirkungen klimabezogener (systemischer) Risiken auf die Finanzstabilität untersucht. In diesen Bericht werden sowohl physische als auch transitorische (Klima-) Risiken einbezogen sowie politische Maßnahmen zur Eindämmung ebenjener Risiken dem gegenübergestellt. Eine solche inhaltliche Gegenüberstellung von Risiko- (Kap. 1-2) und Maßnahmen-Perspektive (Kap. 3-4, Annex) findet sich auch formal im Gang der Untersuchung wieder.

Analysemethodik: Aktueller Forschungsstand

Wenngleich der Bericht der EU-Kommission formal eher eine Art "Literature Review" darstellt, da er selbst keine neuen empirischen Untersuchungen ergänzt, sondern bisherige Erkenntnisse aus dem (bislang eher begrenzten) Kreis relevanter Untersuchungen in der Literatur zusammenträgt und einordnet, so widmet er sich dennoch ausführlich den dort gängigen Analysemethoden. In diesem Zuge wird resümiert, dass mögliche Effekte klimabezogener finanzieller Risiken auf die Finanzstabilität methodisch üblicherweise mithilfe von Vulnerabilitätsanalysen und Stresstests untersucht werden:

  • Vulnerabilitätsanalysen untersuchen die Betroffenheit von Beobachtungseinheiten durch den Klimawandel auf Basis sog. Vulnerabilitätskennzahlen wie u.a. die von der Europäischen Zentralbank für Transitionsrisiken vorgeschlagene Transition-to-Credit-Risk-Intensity. Zur deren Berechnung wird zunächst eine sog. Expositionskennzahl (hier: kreditvolumengewichtete Treibhausgasemissionen des Kreditnehmers) herangezogen, die alleinstehend hier nur Exposition gegenüber Transitionsrisiken messen soll.

    Im nächsten Schritt wird diese Expositionskennzahl mathematisch (hier genauer: multiplikativ) mit finanziellen Parametern des Kreditnehmers (hier: Probability of Default - PD) verknüpft, um hier noch eine Anbindung an das Kreditrisiko zu erreichen. Technisch bedeutet dies, dass eine größere Emissionsintensität des Kreditnehmers die Kennzahl gerade dann stärker erhöht, wenn dieser ohnehin auch eine höhere PD besitzt.

    Im Hinblick auf die angedachte Analyse der Stabilität des gesamten Finanzsystems verweist die EU-Kommission zudem darauf, sich neben den vorgenannten Expositions- und Vulnerabilitätskennzahlen auch noch systembezogenere Proxies bestimmen lassen, mit deren Hilfe sich dann z.B. auch risikobezogene Spillover- und Verstärkungseffekte identifizieren lassen.
  • (Klimabezogene) Stresstests simulieren verschiedene zu untersuchende (Klima-) Szenarien und brechen damit verbundene makroökonomische Effekte mithilfe geeigneter Modellannahmen in konkrete GuV- und Bilanzpositionen des betrachteten Institutes herunter. Im konkreten Anwendungsfall lassen sich dabei auch konkrete Indikatoren für die Finanzstabilität berechnen - und das sowohl auf Einzelinstitutsebene als auch auf Ebene des gesamten Finanzsystems.

Ableitungen: Auswirkungen auf das Finanzsystem

Ein wesentlicher Kern der Erkenntnisse der EU-Kommission ist hier – neben der positiven Wirkung eines frühzeitigen Einleitens geordneter ökonomischer Transitionsmaßnahmen –, dass klimabezogene Risiken erstens systemisch, d.h. in der Breite, auf alle Finanzmarktteilnehmer wirken und somit Einfluss auf die Finanzmarktstabilität besitzen können, sondern zweitens auch hinsichtlich ihrer Wirkungsintensität gegenüber Finanzmarktteilnehmern verschiedener Länder und Branchen variieren können.

Auf Basis des dort dargelegten Literaturüberblicks verschiedener Vulnerabilitätsanalysen resümiert der Bericht im Hinblick auf transitorische (klimabezogene) Risiken, dass hiervon insbesondere solche Kredite / Investments aus den Sektoren Bergbau, Fertigung und Energieerzeugung betroffen sind. Für physische Risiken wird dagegen festgehalten, dass geographische Konzentrationen besonders vulnerabler Kreditnehmer für bestimmte Länder/Regionen erkennbar sind.

Die dort ebenso schlaglichtartig skizzierten Ergebnisse sektor- und länderspezifischer Stresstests aus der bisherigen Literatur bestätigen nach Ansicht der EU-Kommission zudem die unterschiedlichen Effekte klimabezogener Risiken auf die Finanzmarktteilnehmer, da im Rahmen ebenjener Stresstests mit steigender Vulnerabilität der Institute auch höhere aggregierte Verlustquoten (relativ zur Portfoliogröße) erkennbar waren.

Einordnung der Analyseergebnisse / Limitierung

Zur Einordnung ihrer Ergebnisse verweist die EU-Kommission - nicht zuletzt aufgrund aktueller Limitierungen bei Datenverfügbarkeit und der Modellierung – noch einmal explizit darauf, dass derartige Analysen einer weiteren Verfeinerung und Ergänzung bedürfen, um die bisherigen Ansätze künftig hinsichtlich folgender Punkte weiter zu verbessern:

  • Erfassung aller relevanten Risikopositionen (u.a. durch bessere Datenbasis);
  • Erfassung der Wechselwirkungen zwischen Finanz- und Realwirtschaft;
  • Erfassung verstärkender volkswirtschaftlicher Effekte des Klimawandels;
  • Erfassung von Wechselwirkungen innerhalb des Finanzsystems;
  • Berücksichtigung von Umweltrisiken (z.B. Verluste von Biodiversität / Natur).

Daher empfiehlt sie, die bisherigen Schätzungen der Auswirkungen klimabezogener Risiken auf die Finanzstabilität eher als Untergrenze zu betrachten, da diese im vorliegenden Untersuchungsdesign tendenziell unterschätzt werden.

Überblick über bisherige/künftige regulatorische Maßnahmen

Aus der Maßnahmenperspektive gibt die EU-Kommission einen Überblick über bisherige und künftige regulatorische Maßnahmen zur Eindämmung des klimabezogenen Risikos, die sie (auf aggregierter Ebene) folgendermaßen kategorisiert:

  • Offenlegungsvorschriften (zur Verbesserung der Datenbasis und der Quantifizierbarkeit klimabezogener Risiken),
  • mikroprudenzielle Maßnahmen (zur Integration von ESG-Risiken in das Risikomanagementsystem der regulierten Institute),
  • makroprudenzielle Maßnahmen (zur Adressierung klimabezogener systemischer Risiken aufgrund des Auslösens von Spillover- und Zweitrundeneffekten), sowie
  • nationale Maßnahmen (zur Adressierung der Heterogenität klimabezogener Risiken zwischen EU-Mitgliedsstaaten).

Für einen Überblick konkreter Maßnahmen und Planungen bietet sich interessierten Leser*innen ein dezidierter Blick in den Original-Bericht der EU-Kommission an.

Quelle: https://finance.ec.europa.eu/document/download/9e2c0695-9da6-4b09-ae43-78729fc7609e_en?filename=240701-climate-risks-report_en.pdf

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Tobias Grollmann

Abteilungsleiter
Fachlicher Leiter Spezialistenteam
Nachhaltigkeit/Sustainable Finance

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