Aus dem Verband

fairKauf: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“

  • 09.10.2025
  • Aus dem Verband
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Die gemeinnützige Genossenschaft fairKauf eG aus Hannover geht Langzeitarbeitslosigkeit und Ressourcenverschwendung gemeinsam an. Vorständin Nicola Barke im Interview.

Frau Barke, fairKauf verbindet Secondhandhandel mit Arbeitsmarktintegration. Wie funktioniert dieses Konzept?

Wir sind eine gemeinnützige Genossenschaft, die Kaufhäuser hat, um zu qualifizieren – nicht umgekehrt. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt: Langzeitarbeitslose, Alleiner­ziehende, Pflegende, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Migrationshintergrund. Sie finden bei fairKauf nicht nur Arbeit, sondern auch Qualifizierung, Struktur und Wertschätzung. Wir haben 2008 mit sieben Leuten und einem Geschäft begonnen, heute sind wir 141 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte an acht Standorten in Hannover und Region.

80 Prozent waren vorher arbeitslos, heute sind sie qualifizierte Fachkräfte, Teamleitungen oder Ausbilder.
30 haben den Ausbilderschein nach AEVO. Insgesamt mit Ehrenamtlichen und Teilnehmenden haben wir über 300 Mitarbeitende.

Warum war die Genossenschaftsform dafür der richtige Rahmen?

Die Genossenschaftsform war perfekt für uns, weil wir die Stadtgesellschaft beteiligen wollten. Ohne die Bevölkerung würde es gar nicht funktionieren – wir haben keinen Wareneinkauf. Die Menschen bringen uns die Sachen vorbei, unterstützen uns als Mitglieder oder Ehrenamtliche. Es ist ermutigend zu sehen, dass die Unterstützung aus der Stadtbevölkerung nach wie vor da ist. Das genossenschaftliche Prinzip funktioniert.

Corona hat die Einzelhandelsbranche hart getroffen. Wie sind Sie durch die Krise gekommen?

Das war unsere größte Herausforderung, nicht nur wegen Corona selbst, sondern wegen der Konsequenzen. Der Qualifizierungsbereich brach zusammen, Teilnehmende und Mitarbeitende mussten nach Hause. Neben beruflicher Unsicherheit kamen persönliche Ängste hinzu: Existenzsorgen, Druck in den Familien. Das wirkt sich bei Menschen, die die Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen schon gespürt haben, sehr viel heftiger aus. Wir haben weiter betreut, telefonisch und ohne Finanzierung, weil gerade in der Krise soziale und fachliche Unterstützung nötig war. Als es wieder losging, war bei vielen viel Wissen weg – wie „gelöscht“. Danach mussten wir verlorene Fortschritte Schritt für Schritt aufholen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Geschäftsmodells?

Wir merken die allgemeine Kaufzurückhaltung. Wir haben teilweise mehr Kunden als vorher, aber diese machen weniger Umsatz. Gleichzeitig wird die Finanzierung für Qualifizierungsmaßnahmen schwieriger, weil staatliche Mittel zurückgehen. Aber unser Modell ist zukunftsfähig: Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, soziale Verantwortung – das sind keine Trends, sondern Notwendigkeiten.

Deshalb setzen wir auf konkrete Maßnahmen: Mit acht Standorten sind wir in der Region Hannover gut aufgestellt und optimieren weiterhin unsere Abläufe und das Einkaufserlebnis. Wir investieren in die Professionali­sierung unserer Verkaufsräume, um uns von herkömmlichen Secondhandläden abzuheben. Zwei Mitarbeitende kümmern sich speziell um Marketing und Social Media, wobei wir auch mit Influencerinnen zusammenarbeiten, die unsere Angebote bekannt machen. Da Onlinehandel mit Einzelstücken schwierig ist, entwickeln wir Ideen für den stationären Handel – etwa Erlebniselemente im Laden, eine verbesserte Sortierung und Vernetzung der Filialen für gezielte Produktsuchen.

Sie sind seit der Gründung der Genossenschaft dabei. Was treibt Sie bis heute an?

Die Arbeit hat immer Sinnhaftigkeit. Ich sehe täglich, wie Menschen Selbstvertrauen und Fachkompetenz aufbauen und Verantwortung über­nehmen. Es gibt auch Rückschläge. Nicht jeder kann jeden Weg gehen. Trotzdem lassen sich Entwicklungsschritte anstoßen. Viele unserer Teilnehmenden haben keine Lobby und werden oft negativ bewertet, obwohl es meist Gründe gibt, die sie nicht beeinflussen konnten. Genau hier zeigt sich die Stärke des genossenschaftlichen Prinzips: Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele.

Quelle: F.A.Z. Institut

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