In den letzten Tagen gab es teilweise dramatische Bilder aus Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier. Diese umstrittene Maßnahme bringt viele Menschen auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Doch selbst der Bau von Windrädern als deutlichstes Zeichen der zwingend notwendigen Energiewende ist vor Ort oft ein Streitthema. Diese Gegenüberstellung zeigt: Energiepolitik ist emotional und für Entscheidungsträger*innen häufig geradezu ein Spießroutenlauf. Dabei gäbe es eine Lösung, die wie kaum eine andere die Menschen vereint: Energiegenossenschaften!
Die Energiegenossenschaft: Ein unterschätzter Akteur
Genossenschaften maximieren den Mitgliedernutzen, nicht den Profit. Dieser Nutzen kann z.B. darin bestehen, den Mitgliedern günstigen Strom zur Verfügung zu stellen oder die Energiewende vor Ort voranzubringen. So lassen sich dezentrale Strukturen aufbauen, wenn sich Menschen zusammentun, um gemeinsam ein Windrad oder eine anderes Erneuerbare-Energien-Projekt zu bauen. Unsere Erfahrung zeigt: regionale Akzeptanz steigt nur bei richtiger Beteiligung. In keiner anderen Rechtsform ist die Beteiligung größer, als in der Genossenschaft. Denn: hier werden Mitglieder nicht nur finanziell beteiligt, sondern haben durch die Regel „1 Mitglied = 1 Stimme“ auch organisatorisch Mitspracherechte, wodurch ein Gefühl der Zugehörigkeit zu den Projekten entsteht. In den Genossenschaften organisieren sich die Menschen und Kommunen selbst und eigenverantwortlich, um unabhängig zu werden – vom Gas aus Russland aber auch von großen Konzernen, die rein renditeorientiert und gewinnmaximierend kalkulieren.
Aktuelle Situation zeigt: das Potenzial ist groß
Das Potenzial ist groß, wie eine Studie vom Zukunftsinstitut aus dem letzten Jahr konstatiert: „Niedrigschwellige finanzielle Teilhabemöglichkeiten und die direkte Nutzung der „selbst erzeugten“ Energie sind der Schlüssel für Teilhabe und Einbeziehung der Bürger:innen. Damit werden (…) Genossenschaften zum zentralen Akteur, um die Energiewende voranzubringen. Energiegenossenschaften können ohne viel bürokratischen Aufwand Windparks betreiben, die Stromverteilung organisieren und den lokal erzeugten Strom verkaufen.“
Die Menschen sind bereit: Laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage, würde sich mehr als jede*r dritte Erwachsene in einer Windgenossenschaft einbringen. Daher überrascht es auch nicht, dass wir landauf, landab seit Monaten einen enormen Schub an Gründungsinteresse beobachten. Doch sobald die Energiegenossenschaften gegründet sind, geht es oft darum, nach der Startphase weiter zu wachsen, um nachhaltig wirtschaften zu können. Besonders in der Start- und Planungsphase sehen sich Bürgerenergieprojekte jeglicher Art jedoch mit hohen Planungskosten für Machbarkeitsstudien, Standortanalysen, Umweltverträglichkeitsprüfungen und anderen Gutachten konfrontiert, wobei die tatsächliche Umsetzung der Projekte zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss ist. Insbesondere für kleine und mittlere Akteure fällt dieses Risiko deutlich stärker ins Gewicht: Was passiert, wenn man viel Geld investiert, um überhaupt an einer Ausschreibung teilnehmen zu können – aber man den Zuschlag dann nicht erhält? Energiegenossenschaften scheuen oft das Risiko einer Ausschreibung, da sie bei negativem Bescheid vor einem nicht stemmbaren Verlust stünden. So bevorteilt das derzeitige System die großen Akteure, die dieses Risiko durch reine Größe kompensieren. Aber auch bei anderen Bürgerenergieprojekten, die nicht in Ausschreibungen einen Zuschlag erhalten müssen, stehen hohe Planungs- und Projektierungskosten der Umsetzung dieser Projekte im Weg.