Frau Lewalter-Düssel, seit 2022 sind Sie Mitglied des Vorstandes beim Genossenschaftsverband und waren zuletzt im April bei unserer Vertreterversammlung in Koblenz zu Gast. Was sind hier Ihre Schwerpunkte als Vorstandsmitglied?
Bei der Vertreterversammlung hatte ich eine repräsentative Aufgabe. Das heißt, dass ich dort den Verband und unser Prüfungsergebnis vertrete, was ein Kernstück unserer Aufgaben im genossenschaftlichen Prüfungsverband ist. Natürlich ist dies auch eine schöne Gelegenheit, den Bankenvorstand und den Aufsichtsrat zu treffen und die Prüfungssaison abzuschließen. Darüber hinaus werden bei solchen Veranstaltungen auch häufig Vorstände verabschiedet oder Ehrungen durch uns vorgenommen.
Als Prüfungsvorständin verantworte ich im Genossenschaftsverband die Prüfung und Betreuung der uns angeschlossenen Kreditgenossenschaften in den Regionen Saarland, Hessen, NRW und Rheinland-Pfalz und darüber hinaus die Bereiche IT und Grundsatzfragen.
Sie sind die erste Frau im Vorstand des Verbandes. Wie stehen Sie zum Thema Frauenquote in Deutschland?
In Bezug auf die Frauenquote in Deutschland bin ich grundsätzlich positiv eingestellt, aber ich sehe dies nur als einen Teil einer breiteren Bemühung zur Förderung von Diversität. Diverse Unternehmensstrukturen sind kein Selbstzweck. Es ist erwiesen, dass diese Unternehmen besser performen. Daher ist es klar, dass es auch der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. anstrebt, seine Diversität und damit natürlich auch seine Frauenquote zu erhöhen.
Sie sind eine wahre Finanzexpertin – Sie haben bereits zum Schwerpunkt Bankwesen studiert, sind Steuerberaterin, Wirtschaftsprüferin und betreuen heute u.a. die Bereiche Prüfung, IT und Grundsatzfragen. Wie ist Ihr Interesse gegenüber diesen Bereichen eigentlich entstanden, sind Sie einfach ein Zahlenmensch?
Ursprünglich hatte ich eigentlich über ein Studium der Psychologie und Kunstgeschichte nachgedacht, aber wie so oft spielt das eigene Umfeld bei wichtigen Entscheidungen im Leben auch eine große Rolle. So habe ich stattdessen ein duales Studium bei der Deutschen Bank angefangen. Ich mochte aber die neue Herausforderung, die damit vor mir lag.
Und daher möchte ich - insbesondere Frauen - dazu ermutigen, sich selbst auch einmal ins „kalte Wasser“ zu schmeißen: Denn wer sich erst einmal aktiv mit Zahlen und Finanzen beschäftigt, wird merken, wie spannend dieses Umfeld sein kann. Und so wuchs mein Interesse an diesen Themen im Laufe meiner beruflichen Laufbahn auch immer weiter an.
Nachdem ich zum Verband gewechselt bin, habe ich zunächst das Steuerberater- und dann das Wirtschaftsprüferexamen abgeschlossen. Letzen Endes spielt aber auch in meiner Funktion als Vorständin die Psychologie eine große Rolle, da ich täglich mit verschiedenen Menschen und Charakteren arbeite. Das ist sehr spannend und herausfordernd – ich habe also für mich eine gute Mischung aus beiden Welten gefunden.
Beim Genossenschaftsverband gibt es z. B. für Frauen das Woman up! Programm. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, warum Frauen zwar oft die Mehrheit der Mitarbeitenden der VR Banken darstellen, aber die Führungsetagen stark männlich besetzt sind? Was braucht es (oder was benötigen die Frauen), um auch die Vorstandsbereiche diverser zu besetzen?
Die geringe Präsenz von Frauen in Führungspositionen bei VR Banken kann teilweise auf die traditionelle Rollenverteilung bei der Kindererziehung zurückgeführt werden. Auch heute ist es oft noch so, dass Frauen immer noch stärker in der Kindererziehung involviert sind. Dies wird darüber hinaus von dem Problem verstärkt, dass die öffentliche Kinderbetreuung, besonders bei Kindern bis 3 Jahren, nicht ausreichend organisiert ist.
Die Herausforderung von mangelnden KiTa-Plätzen und frühen Schließzeiten sind für eine Führungskraft oftmals schwierig zu meistern. Hier ist Eigeninitiative gefragt, die Kinderbetreuung privat mit einer Tagesmutter oder einem Tagesvater, einem Au-Pair oder einem „FSJler“ zu organisieren. Allerdings gibt es hier sowohl bürokratische Hürden als auch ein erforderliches Maß an Flexibilität bei der Zeitplanung. Da diese Organisation oft dem weiblichen Part überlassen ist, erlangen häufig nur diejenigen Frauen beruflichen Erfolg, die das Ziel Führungskraft zu sein, priorisieren und die aufkommenden Schwierigkeiten in Kauf nehmen bzw. pragmatische Lösungen finden. Ein wesentlicher Punkt ist aber auch die Unterstützung der Familie und insbesondere des Partners und natürlich ist auch der Arbeitgeber hier gefragt.
Inzwischen bieten wir daher als Arbeitgeber für die Weiterbildung zum/zur Wirtschaftsprüfer*in auch entsprechende Workshops und Unterstützung bei der Examensvorbereitung an. Wir möchten nicht, dass sich hier besonders Frauen zwischen Karriere und Kindererziehung entscheiden müssen.
Ein weiteres Hindernis ist, dass nach wie vor die Kombination von Muttersein und Beruf gesellschaftlich nicht voll anerkannt ist. Aussagen an einem Elternabend wie „Ach, Sie gibt es ja wirklich“ oder „Was machen denn dann die Kinder, wenn du arbeitest?“ bzw.- „Dann bist du ja nie da, geht das überhaupt?“ habe ich selbst mehrfach gehört.
Mein Tipp: Selbstbewusst damit umgehen und seinen Weg gehen.
Wo sehen Sie in der Gesellschaft den größten Bedarf bei finanzieller Bildung? Inzwischen werden Meinungen lauter, dass bereits in der Schule über Schulden und Finanzen aufgeklärt werden sollte.
Diesen Bedarf kann ich auf jeden Fall bestätigen. Ich selbst war auf einem humanistischen Gymnasium, wo es keine betriebswirtschaftliche Bildung gab. Allerdings wäre diese genauso wichtig wie Geschichte, Geografie oder Allgemeinbildung. Mein Vorschlag wäre hier keinen Bereich zu priorisieren, sondern die Schwerpunkte besser zu verteilen. Dabei gehen eine gute Allgemeinbildung und finanzielles Grundwissen Hand in Hand.
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde, dazu gehört nach ESG-Kriterien auch die soziale Säule – nachhaltiges Personalmanagement, Work-Life-Balance, New Work, Talentförderung. Wie stellt sich der Genossenschaftsverband hier selbst auf und welche Schritte stehen noch bevor?
Bei uns in der Verbandsfamilie haben wir bereits viele Themen umgesetzt. Besonders New Work ist für uns sehr wichtig: Wir möchten die Vernetzung untereinander vorantreiben und haben entsprechende Arbeitsflächen geschaffen.
New Work beschränkt sich aber lange nicht nur auf die Arbeitsflächen, sondern heißt auch eigen- und selbstständiges Arbeiten. Wir unterstützen aktiv Teilzeitmodelle, was auch in die Frauenförderung hineinspielt, da dadurch Beruf und Familie besser kombinierbar sind. Darüber hinaus möchten wir zukünftig mehr Führungspositionen über das sogenannte Job- oder Desk-Sharing teilen oder die Möglichkeit geben, diese Option zu wählen.
Weiterhin wurde ein Programm zur Talentförderung ins Leben gerufen, welches neuen und/oder jungen Kolleg*innen die Gelegenheit gibt, Transformationsthemen erfolgreich zu gestalten. Daneben existieren selbstverständlich Personalentwicklungsprogramme, welche Bewerber*innen sowie langjährige Mitarbeitende bei der Entfaltung zur personellen Führung oder Expertenfunktion unterstützen.
Sie haben selbst Familie und parallel eine erfolgreiche Karriere aufgebaut. Was ist Ihr Geheimnis? Was raten Sie anderen Frauen mit ambitionierten Karriere- oder Führungswünschen, um beides vereinen zu können?
Ein Geheimnis gibt es hier nicht. Meine Devise war immer: „Dranbleiben!“. Ich hatte Ziele vor Augen und habe versucht, diese nicht zu verkrampft zu sehen. Aber dennoch stringent anzugehen.
Wichtig ist außerdem Flexibilität: Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, ist Anpassungsfähigkeit das, worauf es ankommt. Auch wenn mein Lebenslauf objektiv gesehen geradlinig aussieht, habe ich mich nie von ungeplanten Zwischenfällen aus der Ruhe bringen lassen. Trotz mancher Kritik, übermäßig fokussiert zu sein, vertraute ich auf mich.
Was ablenken kann, sind die Meinungen anderer. Hier ist es unbedingt erforderlich, sich selbst treu zu bleiben. Auf alle Fälle sollten Frauen an ihre Ziele glauben und auch Risiken eingehen!
Mich trieb beispielsweise nach ein paar Jahren in der gleichen Position die Neugier immer wieder weiter. Ich bin nicht der Typ, der sich sein ganzes Leben an derselben Stelle wohl fühlt.
Welche Eigenschaften haben Ihnen persönlich bei der Erreichung Ihrer Ziele geholfen? Was ist Ihnen besonders leicht oder schwer gefallen?
Zielstrebigkeit und ein gutes Durchhaltevermögen zählen meiner Meinung nach zu diesen Eigenschaften. In Anführungszeichen „nur Talent“ ohne Durchhaltevermögen, führt nach meiner Erfahrung meist nicht zum gewünschten Erfolg.
Schwer gefallen ist mir eher ausreichend Geduld, einschließlich mit mir selbst, zu haben. Leicht gefallen ist mir dagegen, Themen zu präsentieren und Menschen mitzunehmen. Das hat mir schon immer Spaß gemacht.
Was wünschen Sie sich für die junge Generation im Berufsleben? Was hätte Ihnen geholfen, Ziele schneller oder einfacher zu erreichen?
Ich bin sehr gespannt, welche neuen Impulse die jüngere Generation einbringen wird. Wir brauchen diese neuen Impulse für Innovationen und somit für die Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Der Weg ist nach meiner Meinung auch wesentlicher Teil von Zielen. Höhere Herausforderungen sind für mich ein Ansporn und haben dazu geführt, dass ich viele Wege überhaupt erst gegangen bin. Wenn ich z.B. nicht in einem kleinen Dorf im Taunus, weit weg von der Autobahn, aufgewachsen wäre, hätte ich vielleicht nie den Wunsch gehabt, weiterzugehen. Anreize und „nicht satt zu sein“ ist wichtig. Darum: Lasst es uns der jüngeren Generation nicht zu einfach machen, dann kommen wir auch gesamtgesellschaftlich weiter und es entstehen kreative Lösungen und Innovationen.
Herzlichen Dank für die offenen und motivierenden Antworten.
Das Interview führte Katrin Schildhorn, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der VR Bank RheinAhrEifel